Geschichte der Frühen Neuzeit
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Kohlreif, Gottfried

(1676-1750)

Gottfried Kohlreif (* 30. September 1676 in Stretlitz, † 13. August 1750 in Ratzeburg im Lauenburgischen) erhielt zunächst zwei Jahre Privatunterricht, bis ihn sein Vater aus mangelnden Mitteln selbst unterrichtete. Anschließend studierte er ab 1692 in Rostock, und erhielt 1694 seinen Magister der Philosophie in Halle. Er hatte vor allem Philosophie und Theologie studiert, übte sich jedoch auch in Hebräisch, in Physik und Metaphysik, in Mathematik und im Disputieren. Er lernte bei D. Joh. Fecht und Joachim Lindemann und in Halle bei Christ. Cellarius. Er reiste an die Universitäten Leipzig und Wittenberg. Auf seiner Rückreise brachte er einge Zeit in der Königl. Bibliothek in Berlin zu. 1695 hielt er sich in Rostock auf, bevor er nach Stretlitz zurückkehrte. 1698 vertraute ihm die Herzogin Marie die Aufsicht über ihre Bibliothek an. 1699 besuchte er in Hamburg seinen Vetter, und machte die Bekanntschaft des Stretlitzer Ministers E. A. Bethum, dessen Kinder er unterrichtete. Eigentlich wollte er nach Kiel weiterreisen, doch der Krieg hinderte ihn daran. Er hörte Vorlesungen bei J. Fried. Mayer und Winkler und lernt selbstständig Englisch und Französisch. Bald darauf reiste er doch nach Kiel, wo er Vorlesungen hielt und das Licentiat der Theologie erhielt. 1701 wurde er als Pastor primarius nach Neu-Brandenburg berufen, und erhielt den Titel eines Konsistorialraths.

Zum Werk

Die "Chronologia sacra", gleichwohl eine gelehrte Abhandlung zur biblischen Chronologie, aus der die These vom erwarteten Ende der Welt im Jahr 2000 n.Chr. (AM 6509) bei den Zeitgenossen am meisten Beachtung fand (zur gelehrten Auseinandersetzung um diese Behauptung s.u.), kann sehr wohl als Beispiel für ein Lehrbuch gelten, das ganz nach der Art pietistischer Pädagogen und Theologen auch Lieder zur Memorierung mancher Denkwürdigkeiten enthielt. Die Ordnung der Tabelle wird dabei ausdrücklich als Lehrmethode bezeichnet, durch die zum einen die technische Chronologie, zum anderen aber auch die historische Chronologie "expliziert, demonstriert und illustriert" wird.
Die "Chronologia sacra" war ein recht einflussreiches Tabellenwerk der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und beeinflusste u.a. auch die Tabellengeschichte Theodor Bergers.

Auszug aus Goetten 1736 und Moser 1740 um den "Kohlreiff-Streit" über den Zeitpunkt des Jüngsten Tages:

Aus einer Bibliographie (Gabr. Wilh. Goetten, Das jetztlebende gelehrte Europa, 2. Aufl. Bd. 2. 1736): Es heißt dasselbst: "Ordine & methodo ea usus est, vt priori parte Chronologiam quandam technicam, posteriori vero, Chronologiae historicae illustriora quaedam capita exhibeat, in qua uberiorem sistit Canonis Chronici explicationem, demonstrationem atque illustrationem." Weiter heißt es, dass Kohlreiff einige Meinungen zur Chronologie preisgibt, die nicht unumstritten seien: "Der jüngste Tag wird nach seiner Ausrechnung im Jahr der Welt 6509 oder im Jahr Christi 2000. kommen. Denn Christus ist nach seiner Meynung im Jahr der Welt 4509. Die Welt macht er 500. Jahr älter als andere. S. Acta Er. 1725. p. 163 sq. Deutscher Pauillon der Musen VII. Samml. p. 582 sq. Fortgef. Samml. 1725, p. 975. sq. in welchen noch gemeldet wird: 'daß darinn viele neue Auslegungen von Schrift-Stellen anzutreffen/ welche noch fleißigere Untersuchungen erfordern. Er habe allerdings viel Betrachtungswürdige Anmerkungen und theils Regeln gemacht/ er sey sonst den alten Principiis ergeben und klage p. 479. 480. sehr über den einreissenden Pietismus usw. Übrigens ist sein Hauptwerck in diesem Buche/ der aus den Hebräischen Accenten und vielen anderen Gründen geführte Beweis/ daß die alte und beständige Gewohnheit des Jüdischen Volkes/ in den gebräuchlichsten Jahr-Zahlen/ wenn die Historie damit verknüpft worden/ die tausende ja wohl hunderte auszulassen/ in vielen Schrift-Stellen bey der Anzeige der Zeiten Statt habe/ und daraus eine Zeit-Rechnung der Assyrer/ Egypter/ Sineser/ Tyrier/ Samariter/ Armenier/ der Griechischen Geschicht-Schreiber/ des Josephi, der Kirchen-Väter/ der Münzen und Astronomischen Anmerkungen aufs lieblichste übereinstimme/ und viele Schwürigkeiten ganz leicht aus dem Wege räume/ die sonst fast unauflöslich geschienen. Diese neue Chronologische Entdeckungen hat er auch in der Defensione rest. antiqv. und Chronologia immota immer höher zu bringen gesucht/ und allenthalben allerley sonst nirgend befindliche Anmerkungen eingestreuet; zugleich aber hat er seine Meynung gegen die Einwürfe Hrn. Wokenn [Wockenius], Zorns, Hoffmanns [Hosmanns], in Hypotyposi Chronol. S. des Vignoles in Bibl. Germ. T. XV. in diesen letzten Schriften verthädigt. Man kann sich bey einer neuen Auflage der Chronologia S. viele Vermehrungen und Verbesserungen versprechen."
Diese Debatte findet weitere Fortsetzung (in: Johann Jacob Moser, Beytrag zu einem Lexico der jetzlebenden Lutherisch- und Reformierten Theologen, 1740): Er zitiert obige Anmerkung Goettens. Dann fährt er fort: "Eine Nachricht von diesen Chronologischen Strittigkeiten findet man auch in denen Hamburgischen Auszügen aus neuen Büchern. Buß) Es kam hiewider bald heraus: Aus Gottes Wort und unsern symbolischen Büchern geprüfte, aber unrichtig befundene Nothwendigkeit öffentlicher Buß-Bezeigung zur Vergebung der Sünden; der sogenannten wahren Nothwendigkeit des S.T. Herrn Probst Gottfried Kohlreifs entgegen gesetzet und zu Steuer der Wahrheit und Rettung unsers Grund-Articuls von der Rechtfertigung herausgegeben von Joh. Barth. Nibbe, der Ratzeburgischen Dom-Schule Conrector. Ratzeb. 1732. in 8. 9. B. Hr. Lic. Kohlreif hat zwar, wie man vernimmt, eine Widerlegung dieser Schrift des Herrn Conrect. aufgesetzet, es aber nicht für nothwendig geachtet dieselbe heraus zu geben. Ratzeb. Ges. Buß) Ist, wie Herr Götten sagt, 1735. schon zum 5ten mal aufgelegt, weil die darinn beobachtete gute Wahl, die Menge der Anmerckungen, die mancherley bey den Liedern angemerckten Denckwürdigkeiten in der Lieder-Crone, das nachträgliche Register über die Auctoren, die Anzeige aller vorkommender Oerter der Schrift u. d. m. dem Buche bey Gelehrten und Ungelehrten sehr grossen Beyfall verschaffet haben. Es sind unterschiedene von ihm selbst verfertigte oder doch sehr verbesserte Lieder darin. Sannherib) v. Hamb. gel. Bericht p. 276 [...] A. 1735. wollte er folgendes Buch auf Praenumeration drucken lassen: Apocalypsis non ambigua, oder die Deutlichkeit der hohen Offenbahrung S. Johannis durch XC. Betrachtungsweise erwiesen: worinn diß biblische Buch nicht nach vitringischer Art, nicht nach Chiliastischen Vorurtheilen, nicht nach einem ihm angedichteten vieldeutigem Vortrage, sondern gründlich, ordentlich und dergestalt erkläret wird, daß alle unnöthige Entfernung von der eigentlichen Bedeutung der Worte sorgfältig angelehnet und darüber manch neues Licht, zum vorsichtigen Wandel in diesen, dem Ende der Welt sehr nahen, Zeiten entdecktet, auch sonsten vielfältige Anleitung zum Andächtigen Gebrauche gegeben wird; es ist aber meines Wissens nicht zustande gekommen."

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Chronologia sacra || a mundo condito || usque ad ipsius interitum. || Ex interioribus fontium recessibus || ervta, || et maiori ex parte apodictica; || nvllo hiatv ex scriptis hvmanis || redintegrando laborans: || praecipvorvm tamen antiqvitatis || monumentorvm consensv stipita: || integritatis atqve eminentiae divinae, || qva scriptvra sacra vbiqve sibi || constat ac svfficit, || testis et vindex; || plvrimorvmque locorvm bibliocorvm, || pro difficillimis adhvc habitorvm, || interpres. Hamburg: Theod. Christoph Felginer, 1724. > Zur digitalisierten Vollversion

Weiterführende Literatur:

  • Döring, Heinrich: Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. u. 19. Jahrhundert. Bd. 2. 1832.
  • Dunkel, Joh. Gottlob Wilh.: Historisch-kritische Nachrichten von verstorbenen Gelehrten u. deren Schriften. Bd. 1. 1753.
  • Goetten, Gabrl. Wilh.: Das jetztlebende gelehrte Europa. 2. Aufl. Bd. 2. 1736.
  • Hamberer/Meusel: Das gelehrte Teutschland. Bd. 7. 1808.
    Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten-Lexikon. Fortsetzungen und Ergänzungen von J.C. Adelung. Bd. 3. 1810.
  • Krause: ADB Bd. 16. S. 453.
  • Moser, Johann Jacob: Beytrag zu einem Lexico der jetztlebenden Lutherisch- und Reformierten Theologen. 1740.
  • Rotermund, Heinrich Wilhelm: Das gelehrte Hannover. Bd. 2. 1823.


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