Geschichte der Frühen Neuzeit
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Ratke, Wolfgang

(1571-1635)

Wolfgang Ratke [oder Ratich / Ratichius] (* 18. Oktober 1571 in Wilster/Holstein † 27. April 1635 in Erfurt) war Didaktiker und Pädagoge. Nach erster Schulbildung am Hamburgischen Johanneum studierte er in Rostock und Helmstedt Mathematik, Philosophie und Theologie. Er hielt sich danach in Holland auf und studierte mehrere neue (Französisch, Englisch und Italienisch) und alte (Griechisch und Chaldäisch) Sprachen. Ratke erfand im Anschluss an die Philosophie Bacons eine neue Lehrmethode besonders für den Sprachunterricht, die er 1612 den in Frankfurt versammelten deutschen Reichsständen vorlegte. Er ging dabei von der Vorstellung der "Tabula Rasa" aus. Er forderte, dass der Elementarunterricht vor allem die Muttersprache und Naturkunde lehren sollte. Seine Vorschläge wurden zwar breit diskutiert aber nur zögernd aufgegriffen. 1618 wurde er von Ludwig von Anhalt nach Köthen berufen, da die Fruchtbringende Gesellschaft ihn dort unterstützte. Ratke richtete in Köthen Schulen für Knaben und Mädchen ein. Der Unterricht wurde nach seinen didaktischen Prinzipien in Klassen abgehalten. Dabei wurde auf Anschaulichkeit und muttersprachliche Bildung großer Wert gelegt, Lernen von Zusammenhängen dem Memorieren vorgezogen. Durch seine Aktivitäten war er einer der Begründer der modernen Pädagogik. Der Begriff "Didaktik" wurde von ihm eingeführt. 1619 wurde ihm Ketzerei, Betrügerei und Zugehörigkeit zu den Rosenkreuzern vorgeworfen und deshalb für neun Monate gefangen gehalten. Nach vergeblichen Versuchen in Halle und Magdeburg Fuß zu fassen, reformierte er 1624 die Mädchenschule in Rudolstadt. Nach dem Eingreifen der Schweden in das Kriegsgeschehen versuchte er Gustav II. Adolf von Schweden und den schwedischen Kanzler Oxenstierna für sein Schulprogramm zu gewinnen. Ratkes Lehren beeinflußten Johann Amos Comenius und wirkten bis in die Pädagogik der Aufklärung (Johann Bernhard Basedow und Johann Heinrich Pestalozzi) hinein.

Zum Werk

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Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Mit Christoph Helwig: Artickel, Auff welchen fürnehmlich die Ratichianische Lehrkunst beruht. Leipzig 1617.
  • Allunterweisung nach der Lehrart Ratichii. Cöthen 1619.
  • Allunterweisung. Schriften zur Bildungs-, Wissenschafts- und Gesellschaftsreform. Bd. 1. Berlin 1970.

Weiterführende Literatur:

  • Egerland, Herbert: Zum Anschauungsbild in der Didaktik des Wolfgang Ratke (1571—1635). In: Pädagogische Rundschau, Bd. 51 (1997), S. 3.16.
  • Hofmann, Franz: Wolfgang Ratkes Entwurf einer Wissenschafts- und Bildungsreform. In: Kommission für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte der Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Hg.), Monumenta Paedagogica, Bd. VIII, Berlin 1970, S. 7—30.
  • Kordes, Uwe: Wolfgang Ratke (Ratichius, 1571—1635). Gesellschaft, Religiösität und Gelehrsamkeit im frühen 17. Jahrhundert. (=Beiheft zum Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte, 34). Heidelberg 1999.
  • Kühlmann, Wilhelm: Pädagogische Konzeptionen. In: Christa Berg und Notker Hammerstein (Hgg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1: 15.—17. Jahrhundert: Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe. München 1996, S. 153—197.
  • Michel, Gerhard: Wolfgang Ratke: Die Muttersprache in Schule, Staat und Wissenschaft. In: Albrecht Schöne (Hg.), Stadt, Schule, Universistät, Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert. München 1976, S. 185—197.
  • Michel, Gerhard: Die Welt der Schule. Ratke, Comenius und die didaktische Bewegung im 17. Jahrhundert. Hannover 1978.
  • Michel, Gerhard: Der andere Ratke. Bermerkungen zur Rezeptionsgeschichte, zum Forschungsstand und zu Ratkes Theorie der Lehrer-Schüler-Beziehung. In: Pädagogische Rundschau, Bd. 39 (1985), S. 439—450.
  • Musloff, Hans; Göing, Anja-Silvia: Anfänge und Grundlegungen moderner Pädagogik im 16. und 17. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2003.
  • Schaller, Klaus: Die Pädagogik des Johann Amos Comenius und die Anfänge des pädagogischen Realismus im 17. Jahrhundert, 2. Aufl., Heidelberg 1967.


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