Geschichte der Frühen Neuzeit
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Scaliger, Joseph Justus

(1540-1609)

Joseph Justus Scaliger (* 5. August 1540 in Agen (Lot-et-Garonne), † 21. Januar 1609 in Leiden), Sohn von Julius Caesar Scaliger angeblich aus der Familie della Scala stammend, wurde 1552 gemeinsam mit zwei jüngeren Brüdern auf das Collège de Guyenne in Bordeaux geschickt, das zu der Zeit unter der Leitung von Jean Gelida stand. Eine Pestepidemie zwang sie 1555 zur Rückkehr nach Agen, wo Scaliger in den nächsten Jahren der ständige Begleiter und Sekretär seines Vaters war. Er lernte von ihm Latein und ein genauer Beobachter zu sein, der nicht den Bezug zur Realität verliert, der sich nicht in korrekter Grammatik erschöpft, sondern sich die Grundlagen der Wissenschaft zum Ziel setzt.
Nach dem Tod seines Vaters 1558 ging er für vier Jahre an die Universität Paris, wo er mit dem Studium der griechischen Sprache bei Adrianus Turnebus und Jean Dorat begann, das er aber bereits nach zwei Monaten wieder abbrach, weil er zu der Ansicht gekommen war, dass er von den Vorlesungen des größten Gelehrten dieses Fachs in seiner Zeit nicht profitieren könne – er ging dazu über, sich selbst zu unterrichten. Vom Griechischen ging er auf Vorschlag von Guillaume Postel zur hebräischen Sprache über, dann zum Arabischen. 1562 trat Scaliger zum Protestantismus über. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich 1563, wurde er auf Empfehlung Dorats der Reisebegleiter Louis' de Chastaigner. Die Reisenden gingen zuerst nach Rom, wo sie auf Muretus (Marc Antoine Muret) trafen, der in seiner Zeit in Bordeaux und Toulouse ein Freund von Julius Caesar Scaliger gewesen war und ihn auch mehrfach in Agen besucht hatte. Muretus erkannte bald Scaligers Fähigkeiten und machte ihn mit allen Männern der Zeit bekannt, die es zu kennen wert war.
1570 nahm er die Einladung von Jacques Cujas an, und ging nach Valence, um Recht beim größten lebenden Juristen zu studieren. In den drei Jahren seines Aufenthaltes profitierte er nicht nur von Cujas’ Vorlesungen, sondern auch von dessen Bibliothek, die sich über sieben oder acht Räume erstreckte und 500 Manuskripte umfasste. Die Bartholomäusnacht 1572 veranlasste Scaliger, der zu dieser Zeit den Bischof von Valence auf eine Gesandtschaft nach Polen begleitete, wie viele andere Hugenotten dazu, nach Genf überzusiedeln. Er wurde zum Professor an der Akademie ernannt, hielt Vorlesungen über das "Organon" des Aristoteles und Ciceros "De finibus". Obwohl er sich großer Beliebtheit erfreute, kehrte er 1574 nach Frankreich zurück; denn er haßte es Vorlesungen zu halten. Für die nächsten 20 Jahre ließ er sich bei Chastaigner nieder. Der Religionskrieg zwang ihn, gegen die Katholische Liga zu kämpfen und hielt ihn weitgehend von seinen Studien ab. Dennoch schrieb und veröffentlichte er in dieser Zeit die Bücher, die zeigten, dass mit ihm eine neue Generation von Gelehrten angetreten war. So war sein chronologisches Hauptwerk "De emendatione temporum" (1583) für die nächsten Jahre die Referenz für die Wissenschaft der technischen Chronologie. Er mehrte seinen Ruhm einige Jahre später durch die Edition der Eusebius-Chronik im "Thesaurus temporum" (1606) — ein Werk, welches Maßstäbe in der Editionstechnik setzte.
Als sich Justus Lipsius 1590 von seinem Lehrstuhl zurückzog, beschlossen die Universität Leiden und ihre Protektoren, der niederländische Generalrat und der Prinz von Oranien, Scaliger zu seinem Nachfolger zu machen, was er jedoch vorerst zurückwies. Doch ein Jahr später nahm er ein erneutes Angebot an, da die Universität nur seine Anwesenheit wünschte und ihn nicht verpflichtete Vorlesungen zu halten. Mitte 1593 brach er in die Niederlanden auf. Zwischen Den Haag und Amsterdam konnte er nicht nur die Vorteile der gelehrten Zirkeln in Leiden, sondern auch der besten Gesellschaft beider Städte nutzen.
Seine Position in Leiden verschaffte ihm eine autoritative Machtstellung; er konnte über Karrieren entscheiden. So ermutigte er z.B. den erst sechzehnjährigen Hugo Grotius zur Herausgabe von "Martianus Minneus Felix Capella". Zu seinen Schülern und besten Freunden zählte der Dichter Daniel Heinsius. Seine Abneigung gegen Halbwissen und Unehrlichkeit im Argumentieren und Zitieren brachte ihm zahlreiche Feinde ein. Sein System historischer Kritik, das sich gegen den Katholizismus wandte und das ihm die Oberhand in Forschung und Lehre verlieh, verschaffte ihm zunehmend Feinde aus den jesuitischen Reihen. Nach einigen skurrilen Attacken seitens der jesuitischen Partei, wurde 1607 ein neuer und erfolgreicherer Angriff gestartet. Scaligers schwacher Punkt war sein Stolz. 1594 hatte er seine "Epistola de vetustate et splendore gentis Scaligerae et JC Scaligeri vita" publiziert. 1601 veröffentliche der deutsche Gelehrte Caspar Schoppe(Scioppius), zu dieser Zeit im Dienst der Jesuiten, seine "Scaliger hypototimaeus". Der Autor behauptet, 500 Lügen in "Scaligers Epistola de vetustate" aufzuzeigen, führt dann aber im Wesentlichen auf, dass Scaliger entgegen seiner Anmaßung und entgegen den frühen Berichten seines Vaters nicht zur Familie della Scala gehöre. Scaliger traf dieser Stoß schwer. Er hat zweifelsohne geglaubt, ein Prinz von Verona zu sein, und in seiner "Epistola" hat er in bestem Glauben und ohne Nachforschungen all das wiedergegeben, was er von seinem Vater gehört hatte. Er schrieb sofort eine Antwort auf Schoppes Schrift, genannt "Confutatio fabulae Burdonum", in für Scaligers Verhältnisse ungewohnt moderatem Ton, was aber wohl der Grund war, für das Ausbleiben des erwünschten Erfolgs der Antwort. Der Angriff der Jesuiten war siegreich. Die "Confutatio" sollte Sacligers letztes Werk bleiben. Fünf Monate nach deren Publikation, am 21. Januar 1609, 4 Uhr morgens, starb er in Heinsius’ Armen.

Zum Werk

Zum Werk Scaligers einen kurzen Kommentar zu geben, fällt im Angesicht der Komplexität und der Fülle des Materials, welches schon ausgiebig in der Scaliger-Forschung thematisiert wurde, schwer. Er findet hier jedoch zumindestens Erwähnung, da seine Arbeiten, auch wenn er selbst nicht Autor einer Tabellengeschichte war, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die Anfertigung der tabellarischen Geschichtsdarstellungen waren. Zuvorderst war das Hauptwerk "De emendatione temporum" die Grundlage für die wichtigsten chronologischen Geschichtswerke der nachfolgenden Zeit. Erwähnt sei hier nur als prominentestes Beispiel das "Theatrum historicum" Christoph Helwigs. Wer sich über chronologische Fragen, wie Datierung oder die Dauer bestimmter Epochen informieren wollte, der konnte nach 1583 immer dieses einzigartige Referenzwerk konsultieren.
Die Leistung, die der Leidener Gelehrte mit der Edition der Eusebius-Chronik des Hieronymus vollbrachte, ist ebenfalls für die Entwicklung des Tabellengenres relevant. Scaliger gab der Chronik eine tabellarische Form, wie er sie für das ursprüngliche Original als die wahrscheinlichste ansah. Diese Form war nicht in dem Sinne tabellarisch, wie es noch die Editoren der Eusebius-Chronik Anfang des 16. Jahrhunderts konzipierten. Scaligers Tabelle waren zwei Zeitzählleisten, die von einem nicht weiter gegliederten "spatium historicum" umgeben waren.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Opus novum || de || emendatione temporum || in octo libros || tributum. Paris: Robert Stephanus, 1583 > zur digitalisierten Vollversion
  • De Emendatione Temporum Josephi Scaligeri Iulii Caesaris F. Opus Novum Absolutum Perfectum, Octo Libris Distinctum. Frankfurt am Main: Bassaeus, 1593 > zur digitalisierten Vollversion
  • Thesaurus temporum Eusebii Pamphili. Chronicorum canonum omnimodae historiae libri duo. interprete Hieronymo, ex fide vetustissimorum codicum castigati. Item auctores omnes derelicta ab Eusebio et Hieronymo continuantes. Eiusdem Eusebii utriusque partis Chronicorum canonum reliquiae Graecae, quae colligi potuerunt, antehac non editae. Ios. Scaligeri Notae et castigationes / in latinam Hieronymi interpretationem, et Graeca Eusebii. Ios. Scaligeri Isagogicorum chronologiae canonum libri tres, ad Eusebii chronica et doctrinam de temporibus admod. necessarii. Leiden: Thomas Basson, 1606.

Weiterführende Literatur:

  • Bernays, Jakob: Die Lebensbeschreibung des J. J. Scaliger. 1855.
  • de Larroque, M. Tamizey (Hrsg.): Lettres françaises inédites de Joseph Scaliger. Agen 1881.
  • Grafton, Anthony: Joseph Scaliger and Historical Chronology: The Rise and Fall of a Discipline. In: History and Theory 14 (1975). S. 156—185.
  • Grafton, Anthony: Joseph Scaliger: A Study in the History of Classical Scholarship. 2 Bde. Oxford 1983/1993.
  • Grafton, Anthony: From De die natali to De emendatione temporum: The Origin and Setting of Scaliger's Chronology. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 48 (1985). S. 100—143.
  • Jaumann, Herbert: Art. Scaliger, Joseph Justus. In: Handbuch Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit. Bd. 1: Bio-bibliographisches Repertorium. Berlin, New York 2004. S. 586.
  • Ledegang-Keegstra, Jeltine L. R.: Théodore de Bèze et Joseph-Juste Scaliger. critique et admiration réciproques, in: Bulletin de la Societe de l'Histoire du Protestantisme Francais. 159:3 (2013). S. 441&mdash458.
  • Mosshammer, A. Alden: The Chronicle of Eusebius and Greek Chronographic Tradition. Lewisburg 1979.
  • Sandys, John Edwin: History of Classical Scholarship. II. 1908, S. 199—204.
  • Somos, Mark: Secularisation and the Leiden Circle. Leiden 2011. Kap. II.


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