Geschichte der Frühen Neuzeit
print

Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Schupp, Johann Balthasar

(1610-1661)

Johann Balthasar Schupp [auch Schuppius, Pseudonyme: Antenor, Ambrosius Mellilambius] (* 1. März 1610 in Gießen, † 26. Oktober 1661 in Hamburg) studierte ab 1625 Theologie in Marburg. 1628 unternahm er eine Reise durch Süddeutschland und die Ostseegebiete. 1631 erwarb er den Magistertitel in Rostock unter Petrus Lauremberg und begann an der Universität von Marburg zu unterrichten. Vor den Wirren des Krieges und der Pest flüchtete er nach Holland. Seit 1635 war er dann Professor der Geschichte und Rhetorik in Marburg, seit 1643 auch Pastor an der Elisabethkirche. 1645 promovierte er zum Doktor der Theologie. 1636 heiratete er Anne Elisabeth, die einzige Tochter von Christoph Helwig. Nachdem er bei der Eroberung Marburgs 1646 seinen gesamten Besitz verloren hatte, übte er nur noch geistliche Ämter aus, zunächst wurde er Hofprediger des Landgrafen von Hessen-Darmstadt und Konsistorialrat in Braubach. 1647—48 nahm er als Delegierter des Landgrafen an den Friedensverhandlungen in Münster teil, wo er 1648 die beiden Friedenspredigten hielt. Seit 1649 war er Hauptpastor in Hamburg, wo er in einen heftigen Streit mit seinem Kollegen Johannes Müller, dem Hauptpastor von St. Peter, geriet. Müller nahm Anstoß an der volkstümlichen Art und Weise, wie Schupp predigte und schrieb, wobei vielleicht auch Neid auf den besseren Kirchenbesuch bei Schupp im Spiel war. 1657 schritt das geistliche Ministerium, dessen Senior Müller war, ein. Nachdem man Gutachten bei den theologischen Fakultäten in Wittenberg und Straßburg eingeholt hatte, wurde Schupp 1658 verboten, seine Schriften in Hamburg drucken zu lassen. Seitdem erschienen sie in Wolfenbüttel. Anfangs in seiner Marburger Zeit verfasste Schupp seine Schriften meistens lateinisch, weil er für ein akademisches Publikum schrieb, dann schrieb er für ein populäreres Publikum auf Deutsch. Obwohl er auch Gedichte geschrieben hat, liegt seine Stärke in der Prosa. Es handelt sich dabei um Moral- und Zeitsatiren. Sie richtet sich gegen Lügenhaftigkeit, Angeberei und Üppigkeit. In seiner Vorrede zu den "Morgen- und Abend-Liedern" lehnt er die Poetik von Opitz, unter Verweis auf Luther, der sie nicht nötig gehabt habe, ausdrücklich ab. Bei Amtsantritt in Hamburg war er durchaus noch ein orthodoxer Geistlicher, aber während seiner Tätigkeit dort entwickelte er sich zu einem prononcierten Vertreter der Reformorthodoxie, was auch einer der Gründe für den Streit mit dem Senior des geistlichen Ministeriums, war. Der Streit mit Müller hatte allerdings neben theologischen und privaten Gründen auch einen direkten Anlass. Schon 1657 war der erste Teil der erst 1660 veröffentlichten satirischen Novelle "Corinna", einer Bearbeitung der "Hetärengespräche" des Lukan, ohne Wissen von Schupp in Umlauf. Müller nahm Anstoß an der Drastik dieses Werkes. Der Streit führte zu einer heftigen Polemik, besonders als 1658 eine Schmähschrift unter dem Pseudonym Nectarius Butyrolambius erschien, die entweder von Müller oder in seinem Auftrag verfasst worden ist. Schupp reagierte sofort, aber seine Schrift "Vom Schulwesen" wurde auf Wunsch des Rates der Stadt Hamburg nicht veröffentlicht und erschien erst nach seinem Tode in einer von seinem Sohn Jost Burkhard besorgten Ausgabe (1667). Müller war wohl auch der Auftraggeber für Bernhard Schmids Angriff auf Schupp (1659). Schupps Werke waren einige Zeit sehr beliebt, weil er die Gebrechen seiner Zeit erkannte und beschrieb. Schon sehr früh erschienen dänische und niederländische Übersetzungen. In seinem Auftreten für die deutsche Sprache ist Schupp ein Vorläufer von Leuten wie Christian Weise, Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Thomasius.

Zum Werk

Der "Ambassadeur Zipphusius" ist ein allegorisches Schauspiel, in dem sich auf Einladung des Apoll, die neun Musen und zahlreiche Pädagogen und Gelehrten zu einem Gespräch über die richtige Lehr- und Lernmethode auf dem Parnaß einfinden. Gedacht ist diese Darstellung als kritische und satirische Polemik gegen verschiedene Lehrkonzepte der Zeit und ist ein repräsentatives Beispiel der Konkurrenzsituation die im 17. Jahrhundert zwischen deutschen Didaktikern bestand. Gleichzeitig ist es auch eine Aufforderung an die Fürsten, hier in Person des kurfürstlichen Rates Christoph Vitzthum von Eckstädt, dem das Werk gewidmet ist, der Schulbildung auch mehr Finanzmittel zukommen zu lassen, um die Bildungsmisere zu bekämpfen.
Besondere Zuneigung hat Schupp hier zunächst für die Didaktik Christoph Helwigs, dessen Gefährten Wolfgang Ratke, der hier unter dem Namen Pancratium auftaucht, er aber in ein weitaus kritischeres Licht stellt. Schupp favorisiert jedoch letztlich anders als Helwig die bildmnemonische Lehrmethode, die außerdem von einer regelmäßigen Ordnung begleitet werden sollte. Gerade für Schupps Schüler Johannes Buno war diese Mischung von chronologischer Ordnung im Sinne Helwigs und der Bildmnemonik Ausgangspunkt für seine didaktischen Werke, für die er dann wiederum heftig kritisiert wurde.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Ambassadeur Zipphusius. Aus dem Parnaß wegen deß Schulwesens abgefertigt (1660), hg. v. Paul Stötzner (= Neudrucke Pädagogischer Schriften, hg. v. Albert Richter). Leipzig 1891.

Weiterführende Literatur:

  • Gemert, Guillaume van: Johann Balthasar Schupp und der gemeine Mann. In: Wolfgang Brückner (Hg.), Probleme populärer Kultur in Deutschland. 1985. S. 259—271.
  • Hentschel, Kurt: Johann Balthasar Schupp. Ein Beitrag zur Geschichte der Pädagogik des 17. Jahrhunderts. Döbeln 1876.
  • Jaumann, Herbert: Art. Schupp, Joseph Justus. In: Handbuch Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit. Bd. 1: Bio-bibliographisches Repertorium. Berlin, New York 2004. S. 593—595.
  • Kordes, Uwe: Wolfgang Ratke (Ratichius, 1571—1635). Gesellschaft, Religiösität und Gelehrsamkeit im frühen 17. Jahrhundert. (=Beiheft zum Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte, 34). Heidelberg 1999.
  • Kühlmann, Wilhelm: Pädagogische Konzeptionen. In: Christa Berg und Notker Hammerstein (Hgg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd. 1: 15.—17. Jahrhundert: Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe. München 1996. S. 153—197.
  • Meid, Volker: Die deutsche Literatur im Zeitalter des Barock. Vom Späthumanismus zur Frühaufklärung, 1570—1740. München 2009. Kapitel I.2.
  • Mulsow, Martin: Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680—1720. Hamburg 2002. S. 375—384.
  • Schaller, Klaus: Die Pädagogik des Johann Amos Comenius und die Anfänge des pädagogischen Realismus im 17. Jahrhundert. 2. Aufl.. Heidelberg 1967.
  • Schaller, Klaus: Johann Balthasar Schupp. Muttersprache und realistische Bildung. In: Albrecht Schöne (Hg.): Stadt — Schule — Universität — Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert. München 1976. S. 198—209.
  • Steiner, Benjamin: Die Ordnung der Geschichte. Historische Tabellenwerke in der Frühen Neuzeit. Böhlau 2008. Kapitel 4.2.2.
  • Whaley, J.: Obediant Servants? Lutheran attitudes to authority in the first half of the seventeenth Century. The case of Johann Balthasar Schupp. In: The Historical Journal 35 (1992). S. 27—42.


© Redaktion Tabellenwerke