Geschichte der Frühen Neuzeit
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Migrationsregime in Spanisch-Amerika (ca. 1720-1810)

Projektbearbeiter: Dr. Martin Biersack

Die bis zum Ende der Kolonialzeit gültigen Gesetze verboten es nichtspanischen Europäern, sich in den amerikanischen Territorien Spaniens anzusiedeln. Trotzdem lebte dort eine bedeutende Anzahl von Portugiesen, Engländern, Franzosen, Italienern, etc. Das Projekt untersucht, wie die Präsenz dieser Ausländer in Spanisch-Amerika zwischen unterschiedlichen Akteuren verhandelt wurde und diese Akteure die Migrationsprozesse in ihrem Sinne zu steuern suchten. Es bezieht sich auf ganz Spanisch-Amerika, wobei der Schwerpunkt der Untersuchung beim Vizekönigreich des Río de la Plata liegt, während andere Räume in Fallstudien bearbeitet werden.

Das Migrationsregime war kein statisch festes Gefüge, sondern wandelte sich im Untersuchungszeitraum. Die Reformen Karls III. strebten danach, die Herrschaft über Amerika zu intensivieren, was – im Einklang mit den Ideen der Aufklärung – auch eine Intensivierung der Bevölkerungskontrolle bedeutete. Die Kontrolle der Ausländer als dem fremden und somit beunruhigenden und potenziell nicht zu kontrollierenden Teil der Bevölkerung (Rudolf Stichweh) war dabei von besonderem Interesse. Mit der Französischen Revolution fand in Spanisch-Amerika ein Wandel des ordnungspolitischen Leitbildes von der Ruhe (quietud) zum Sicherheitsdispositiv (seguridad) statt (Agustín Casagrande). Während die kolonialen Behörden unter dem Dispositiv der Ruhe vor allem dann intervenierten, wenn Konflikte mit Ausländern auftraten, so forderte das Sicherheitsdispositiv kontinuierliche Überwachung und präventive Maßnahmen gegenüber Ausländern. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese neuen Anforderungen an das Migrationsregime zur Einrichtung von Institutionen wie Polizei und Meldebehörden, der Verwendung adäquater Papiertechnologien (Registraturmethoden, Einsatz von Listen und Tabellen, Definition von Kriterien der Erfassung) und der Ausweitung des Passwesens führte, die Migrationspolitik sozusagen zur Entstehung moderner Kontrollinstanzen beitrug (Bert De Munck; Anne Winter). Am Río de la Plata zumindest ist für die letzten Jahre der Kolonialzeit der Aufbau eines Verwaltungs- und Überwachungsapparats zu beobachten, der – wenn auch nur rudimentär – auf den bürokratischen Staat des 19. Jahrhunderts verweist.

Das Projekt wird unterstützt durch die DFG.