Dr. Iryna Klymenko: Forschung
Ich beschäftige mich mit Geschichte Europas der Frühen Neuzeit mit besonderem Interesse für (1) europäische Verflechtungsgeschichte von 'Ost' und 'West' sowie für (2) Geschichtstheorie und interdisziplinäre Methoden historischer Forschung.
Schwerpunkte
- (Poly-)religiöse Kulturen und Diskurse
- Co-existenz, Distinktion und Identitätsbildung in urbanen Räumen
- Religiöse Kodierung von Körperpraktiken von Nahrung und Kleidung
- Staatliche Regulierung vs. Selbstorganisation und -verwaltung
- Geschichte Polen-Litauens (15.–18. Jh.)
- Ideengeschichte / Semantiken der Zeitlichkeit und des Wandels
Aktuelle Forschungsprojekte
- Körper und Ordnung: Religiöse Strukturbildung durch Nahrung und Kleidung im Europa der frühen Neuzeit.
Das Forschungs- bzw. Buchprojekt zielt auf eine historische und soziologische Analyse der ordnungsstiftenden Bedeutungen religiöser Körperpraktiken von Nahrung und Kleidung in der Vormoderne. Es fokussiert auf die urbanen Räume von Gdańsk, Kraków, L’viv und Vilnus und ihre für das frühneuzeitliche Europa einzigartigen, besonders breit ausdifferenzierten konfessionellen und ethnischen Konstellationen, die das Projekt in verflechtungshistorischer Absicht einbezieht. So bilden jüdische, katholische, unierte, orthodoxe und protestantische Quellen die Forschungsgrundlage. In Perspektive steht ein besseres Verständnis des Phänomens religiöser Identität und der Strukturierungsprozesse des Religiösen im Europa der frühen Neuzeit, sowie ein revidierter methodischer Blick auf Beschreibungskategorien wie Konfessionalisierung und (In-)Toleranz. - Body Politics and Vigilance within the Jewish Autonomy in Polish-Lithuanian Commonwealth, Editionsprojekt in Zusammenarbeit mit Judith Kalik (Hebrew University of Jerusalem, Israel).
Erstmals machen wir darin ein reiches Korpus frühneuzeitlicher Quellen jüdischer Gemeinden in Ostmitteleuropa einem breiteren Publikum zugänglich. Die Quellen geben einzigartigen Einblick in alltägliche Praktiken und administrative Normierungen dieser Gemeinden, so fokussieren wir auf die gemeindeinternen (Selbst-)Regulierungen sowie (Selbst-)Beobachtungen von Alltags- und Körperpraktiken wie Kleidung, Ernährung, Gesundheit, Musik und Sex. - Geschichte des Erzbistums Lemberg/L‘viv (1614–1700) von Jan Tomasz Józefowicz, Editionsprojekt in Zusammenarbeit mit Myron Kapral (Ukrainische Akademie der Wissenschaft, Ukraine).
Die auf lateinisch handschriftlich verfasste «Geschichte» von Jan Tomasz Józefowicz bleibt bisweilen das letzte noch nicht vollständig rezipierte Großnarrativ aus der Geschichte von Lemberg/L’viv der frühen Neuzeit. Aktuell sind lediglich Fragmente dieser Schrift der Forschung zugänglich, etwa durch Kronika miasta Lwowa: od roku 1634 do 1690 von 1854 oder Летопись событий в Южной Руси львовского каноника Яна Юзефовича 1624–1700 von 1888. Dabei stellt die «Geschichte» von Józefowicz eine bedeutsame Quelle zur Erforschung des Erzbistums von Lemberg/L’viv im Besonderen, aber auch der Städte-, Kirchen- und Verwaltungsgeschichte Europas der frühen Neuzeit dar.
Abgeschlossene Forschungsprojekte
- Monografie Semantiken des Wandels. Zur Konstruktion von Veränderbarkeit in der Moderne, erschienen 2019 bei transcript Verlag.
Promotionsprojekt, Ausgezeichnet mit »Münchner Historicum Preis«.
Wandel ist die Meistererzählung der Moderne. Ich untersuche anhand von sechs Fallstudien, wie Wandel vom ausgehenden Mittelalter bis in die Moderne semantisch modelliert wurde und gehe den Funktionen dieser Modellierungen ideenhistorisch (Reinhart Koselleck) und gesellschaftstheoretisch (Niklas Luhmann) nach. So entfalte ich eine Perspektive auf die Prominenz und Plausibilität von Wandel als einer modernen Grundformel gesellschaftlicher (Selbst-)Beschreibungen – und damit auf die Moderne und ihre Fundamente selbst.