Geschichte der Frühen Neuzeit
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Christine Zabel (Duisburg-Essen): Vernünftige Imaginationen und die Mathematisierung der Ungewissheit: Spekulation im Ancien Régime

Vortrag im Rahmen des Oberseminars Frühe Neuzeit

08.02.2021

Zabel BildDass Europäerinnen und Europäer seit Beginn des 17. Jahrhundert mit Aktien handelten (was zeitgenössisch nicht als ‚Spekulation' bezeichnet wurde), gleichzeitig aber auch über Spekulation sprachen (jedoch zunächst in Bezug auf Religion und Astronomie) ist mehr als ein Auseinandertriften von Praxis und Diskurs. Dass wir außerdem nachträglich Phänomene als Spekulation deuten, die die Zeitgenossen und Zeitgenossinnen nicht als solche wahrnahmen, sollte nicht nur als begriffsgeschichtliches Missverständnis gedeutet werden und ist auch nicht nur einer nachträglichen Konzeptualisierung einer älteren Praxis geschuldet: Denn in den Quellen rund um Spekulation schwingt ein Verständnis von Rationalität mit, das uns nicht mehr geläufig ist und das deshalb oft unsichtbar bleibt. Dieses Verständnis von Rationalität speist sich vor allem durch drei Elemente: der Akzeptanz der Ungewissheit des Wissens und der Welterfassung, einer Kunst der Imagination und einer (qualitativen) Wahrscheinlichkeitsabwägung, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts mathematisiert wurde. Eine Geschichte der Spekulation gibt damit einen möglichen Einblick in die Mathematisierung unseres Rationalitätskonzeptes und kann so eine Erklärung dafür geben, warum es am Ende des 18. Jahrhunderts möglich war, probabilistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen auf den Handel mit Versicherungen und Wertpapieren anzuwenden.