Geschichte der Frühen Neuzeit
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Phrygio, Paulus Constantinus

(1483-1543)

Paulus Constantinus Phrygio [eigentl. Seidensticker, gen. Costenzer] (* um 1483 in Schlettstadt (Elsaß), † 1. August 1543) begann nach dem Besuch der von Crato Hofmann geführten Schlettstadter Stadtschule, 1499 ein Studium in Freiburg, 1500 machte er den Magister Artium. Ein weiterer Studienaufenthalt in Paris ist sehr wahrscheinlich. 1510 begann Phrygio ein Theologiestudium in Basel, dort wurde er 1513 zum Doktor der Theologie promoviert. Er begann dann eine pfarramtliche Tätigkeit zunächst in Eichstätt, dann ab 1519 in seiner Heimatstadt Schlettstadt. Daneben widmete sich Phrygio humanistischen Studien und gehörte bald neben Beatus Rhenanus, Johannes Sapidus, Paul Bolz und Jakob Spiegel zu der von Jakob Wimpfeling geleiteten sodalitas litteraria. Als Verfechter einer Reform der Kirche predigte Phrygio gegen den alten Glauben, vor allem gegen dessen Frömmigkeitsformen. In diesem Zuge schaffte er den Kerzen- und Weihwassersegnen ab und führte die deutschsprachige Messe ein. Als er ab 1524 wiederholt mit dem katholisch gebliebenen Schlettstadter Magistrat in Konflikt geriet, legte er sein Amt nieder. Um 1525/1526 hielt er sich in Straßburg auf. Nach der Übernahme einer Pfarrstelle in Illkirch wurde er 1529 als erster reformierter Prediger nach St. Peter in Basel berufen. Seit 1532 auch Professor an der reformierten theologischen Fakultät der Basler Universität, setzte sich Phrygio von Kanzel und Katheder für die neue Lehre ein. 1533 übernahm er das Rektorenamt der Universität und vertrat Basel auf der Straßburger Synode. Auf Vermittlung von Simon Grynäus wurde er im 1535 von Herzog Ulrich von Württemberg als Pfarrer und Professor der heiligen Schrift nach Tübingen berufen. Als herzoglicher Unterhändler war er an der Reorganisation der württembergischen Landesuniversität beteiligt. Bald darauf wurde er zum herzöglichen Komissar bei der durchzuführenden Reorganisierung der Universität ernannt und, nicht ohne Widerspruch, in die theologische Fakultät aufgenommen. Er wurde Professor für neutestamentliche Exegese. Im Jahr 1537 war er zugleich Rektor der Universität, seit 1535 auch der erste Superintendent des neu gegründeten Fürstlichen Stipendiums (Evangelisches Stift) in Tübingen. 1539 nahm er gemeinsam mit Erhard Schnepf am Nürnberger Kolloquium teil.

Zum Werk

Das "Chronicum" Phrygios ist die erste eigenständige Tabellengeschichte seit der Eusebius-Edition in der Frühen Neuzeit (Heinrich Glareans Tabelle zur Livius-Edition ist lediglich ein Anhang an ein größeres Werk). Damit wird eine Tradition begründet, der zahlreiche Autoren aus ganz Europa Folge leisten und immer wieder neue Variationen dieses Genres entwickeln. Phrygio selbst richtet seine tabellarische Gliederung jedoch weitestgehend nach dem Muster der letzten Eusebius-Chroniken (z.B. die Multivallis-Ausgabe, Paris 1512) aus. Die waagerecht Orientierung der Tabelle, dass sich also, für heutige Begriffe eher ungewöhnlich, der Spaltenkopf auf der linken Seite der Doppelseite befindet, ist eine Besonderheit, die sich außer bei Phrygio bei nur wenigen Autoren findet. Ein pragmatischer Grund liegt in der besseren Übersichtswirkung, die den kontinuierlichen Zeitablauf besser illustriert, da man beim Seitenumblättern keinen visuellen Umbruch erfährt. Die Tradition ist jedoch eindeutig im mittelalterlichen Genre der Geschichten nach Kreis-Linien-Schema zu suchen, für das das "Fasciculus temporum" (1480) von Werner Rolevinck de Laer eines der bekanntesten Beispiele ist (vgl. hier Gert Melville: Geschichte in graphischer Gestalt. Beobachtungen zu einer spätmittelalterlichen Darstellungsweise. In: Hans Patze (Hg.): Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter. Sigmaringen 1987. S. 57—154).
Das "Chronicon" selbst ist einem humanistischen und reformatorischen Kontext zuzuordnen. Dem Theologen Phrygio kam es v.a. auch darauf an, die Geschichte der Bibel und die profane Geschichte besser miteinander in Einklang zu bringen. Dazu bezog er maßgebliche Informationen aus den gefälschten Quellensammlungen der alt-ägyptischen und chaldäischen Historiker Berosus und Manetho, die hier als Beleg für zahlreiche Angaben herhalten sollen.
Der Einfluss Phrygios Tabellenwerk auf nachfolgende Generationen von Historikern ist relativ unklar, da er nicht zu den häufigst zitierten Vorbildern gehört. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass seine Arbeit durch ein gut funktionierendes Gelehrtennetzwerk am Oberrhein auch Autoren wie Theodor Bibliander in Zürich und Johann Funck in Nürnberg erreichen konnte.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Chronicum regum || regnorumque omnium catalogum, et perpe- || tuum ab exordio mundi temporum, seculorumque seriem || complectens, ex optimis quibusque Hebraeis, Grae- || cis & Latinis autoribus congestum. Basel: Johann Hervagius, 1534. > zur digitalisierten Vollversion

Weiterführende Literatur:

  • Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz. Bd. 5, 1929. S. 351.
  • Holtz, Sabine, Art.Phrygio, Paulus Constantinus. In: BBKL Bd. 7 (1994). Spalten 559—561.
  • Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten-Lexikon. Fortsetzungen und Ergänzungen von H.W. Rotermund, Bd. 6, 1819.
  • Knod, G.: Art. Phrygio, Paulus Constantinus. In: ADB Bd. 26. S. 92 f.
  • Pantaleon, Heinrich: Prosopograhiae heroum atque illustrium virorum totius Germaniae. Pars 3. Basel 1565. S. 182 f.
  • Rau, Reinhold: Die Bücherei des D. Paul Phrygio. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 49. 1949. S. 70—85.


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