Geschichte der Frühen Neuzeit
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Röslin, Helisaeus

(1545-1616)

Helisäus Röslin (* 17. Januar 1545 in Plieningen (Würrtemberg), † 14. August 1616 in Lützelstein) besuchte zunächst die hohe Schule in Stuttgart. 1561 studierte er an der Universität Tübingen, am Martinsstift nahm er sein Medizinstudium unter Samuel Eisenmenger (Siderocrates) auf. Röslin wurde Anhänger der Lehre des 1561 verstorbenen Kaspar von Schwenkfeld. 1569 beendete er sein Studium. Er folgte seinem Lehrer Eisenmenger, der Leibarzt des Markgrafen Karls von Baden geworden war, nach Durchlach (Carlsburg). Im gleichen Jahr eröffnete er eine Praxis in Pforzheim. 1970 heiratete er Judith Beurlin, die Tochter des berühmten Theologen und Tübinger Kanzlers Jakob Beurlin. 1572 wurde er zum Leibarzt des Pfalzgrafen Georg Hans von Pfalz-Veldenz in Lützelstein im unteren Elsaß ernannt. Im Jahr 1612 war er dann Leibarzt Johann Reinhards von Hanau-Lichtenberg. Röslin beschäftigte sich mit Astrologie, Chronologie und Geographie. Als 1572 ein neuer Stern entdeckt wurde, beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Frage, in welchen Zeiten er lebe, und wie weit diese vom Anfang und vom Ende der Welt entfernt seinen. Er beschäftigte sich eingehend mit der Historie und der Chronologie. 1578 erschien seine Schrift "Theoria nova coelestium Meteorum". Seine chronologischen Studien "Speculum mundi" (1579), die auf Anregungen des Fürsten als ein Manuskript entstanden waren, wurden ohne seine Bewilligung gedruckt. Röslin beteiligte sich ablehnend an der Kontroverse um die Kalenderreform unter Gregor XIII.. Sein "Prodromus dissertationum chronologicarum" eine Gegendarstellung zu Keplers "Prodromum dissertationum cosmographicum" widmete er nachträglich dem Kaiser zu dessen Krönungstag. Kepler bewunderte und beneidete zwar den eleganten Druck von Röslins Prodromus, warf ihm jedoch eine falsche Zeitrechnung vor (Gegenschrift Keplers "Bericht vom Geburtsjahr Christi"), und bat ihn nicht noch mehr Verwirrung in die Diskussion zu bringen.

Zum Werk

Die "Tabella des Weltspiegels" von Röslin wird in diesem Buch sehr ausführlich kommentiert. Der Anlass der tabellarischen Geschichtsdarstellung war nach Martha List, die eschatologische Frage nach der Bedeutung des Erscheinens eines neuen Himmelskörpers. Es schien ihm wichtig festzustellen, in welchen Zeiten er lebe und wie weit diese vom Anfang wie auch vom Ende der Welt entfernt seien. Zunächst wollte er seine Untersuchungsergebnisse im "Prodromus dissertationum chronologicarum" publizieren, doch kam ihm sein Mathematikerkollege Nikolaus Raimarus Ursus mit der Veröffentlichung des "Chronotheatron seu Theatrum temporis" im Jahr 1597 (Prag: im Selbstverlag) zuvor, das in deutscher Übersetzung als die "Chronologische Gewisse und unwiderlegliche Beweisung aus heiliger Göttlicher Schrifft und heiligen Vättern, daß die Welt vergehen und der Jüngste tag kommen werd in[n]erhalb 77. Jaren: An zurechnen von diesem jetzlauffenden Jar Christi 1596." erschien. Lange fand Röslin keinen Patron für sein Buch, doch im Jahr 1612 war er mit seinem Herrn Johann Reinhard von Hanau-Lichtenberg am 24. und 25. Juni auf der Kaiserwahl in Frankfurt am Main und überreichte dort dem Kaiser Matthias I. seinen "Weltspiegel". Ab diesem Zeitpunkt fand das Werk einen solch reißenden Absatz, dass noch vor Abzug des Hofs alle Exemplare verkauft waren.
Danach konnte Röslin die Veröffentlichung seines "Prodromus" vorantreiben, den er ebenfalls dem Kaiser zum Krönungstag widmete. Das war die Eröffnung eines Gelehrtenstreits mit dem Astronomen Johannes Kepler über das Datum der Geburt Christi — eine wichtige chronologische Frage, die für die Berechnungen des Datums de Endes der Welt außerordentlich relevant war. Die Reaktion auf die Behauptung Röslins, das Jahr der Geburt Christi sei 1 1/4 Jahre vor dem Beginn der Inkarnationsära, war die Behauptung Keplers, dieses Jahr sei vielmehr 5 Jahre "v. Chr." anzunehmen ("Widerholter Außführlicher Teutscher Bericht, Das unser Herz und Hailand Jesus Christus nit nuhr ein Jahr vor dem anfang unserer heutiges tags gebreuchigen Jahrzahl geboren sey : wie Herr D. Helisaeus Röslinus, Hanawischer Medicus zu Buchsweiler in seinem jüngst außgegangenem unrichtigem Bericht an die Röm. Kay. May. neben Henrico Buntingo Chronologo, und anderen, fürgibt: auch nicht nuhr zwey Jahr, wie Scaliger und Calvisius Chronologi mit vilen alten Kirchen Scribenten dafür halten, sonden fünff gantzer Jahr. Auß richtiger Harmonia, und vergleichung Haidnischer und Jüdischer Historien, so umb die zeit der geburt Christi eingefallen, auch beygefügten anzügen auß deß Himmelslauff. Vilen vleissigen lesern der Heiligen schrifft, auch liebhabern der Antiquitet zuvernemmen angenehm, und zu überweisung der heimlichen unnd offentlichen verächtern deß Christenthumbs nothwendig". Straßburg: Carolo Kieffer, 1613).
Das Ziel dieser Tabelle war also eindeutig ein eschatologisches: "Damit wir sehen köndten, was wir künfftig 20. 50. oder 60. Jahr zu gewarten haben, und auch weyter biß zu endt der Welt: So begreifft solche Tabula alles das, was sich im Himmel und in der Erden, und unden in der Welt begeben hat, und vergleicht beyde Sachen gegeneinander, Geistliche und Weltliche und Himmlische: Und zeiget sonderlichen an, wie GOTT von Anfang der Welt gewircket habe in den Reichen der Welt, in gewisser Harmonia und vergleichung der Zahlen der Regenten, und Zahlen der Jahren, in der undern und obern Welt, darauß ein jeder sehen könne, in was Zeiten wir jetzundt seyen, unnd was wir zu gewarten haben." (B ii).

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Zu Ehrn der Keyserlichen || Wahl und Krönung Matthiae deß I. und An- || nae J. Keys. May. GEmahlin den 14/24 und 15/25 Tag Junii || des 1612 Jahrs zu Franckfurt mit grosser Solennitet || gehalten unnd verricht. || Ein Tabella des WeltSpiegels. || Darinnen Geistlich Göttliche unnd Politi- || sche Weltliche Sachen in einer Harmonia und Verglei- || chung gegen einander gestellt werden / nach den sieben Reuolutionen der || Planeten und Zehen Altern von Anfang der Welt biß zu Endt/ || das daraus zu ersehen/ in was Zeiten wir seyen/ || und was noch zuerfüllen || übrig. Frankfurt am Main: Johann Dietrich de Bry, 1612. > zur digitalisierten Vollversion
  • 1572. Prodromus. 1604. || Dissertationum Chronologicarum: || Das ist/ || Der ZeitRechnung hal- || ben ein außführlicher und gründtlicher Teut- || scher Bericht/ an unsern aller gnädigsten Herrn/ || Matthiam den I. erwehlten Römi- || schen Keysern. || Das nemblich den Jahren und dem Alter un- || sers Herrn unnd Heylandts Iesv Christi nicht fünff || Jahr zuzusetzen seyen/ wie J. Keys. Majest. Mathematicus Iohann || Keplerus haben wil/ sonder mehr nicht als fünff viertheyl Jahr/ || Also, das Christvs warhafftig im vierthalben || und dreyssigsten Jahr seines Alters || gelitten habe. || Alles auch in einer Lateinischen Chronologia unnd Zeit- || rechnung vor Augen gestellt/ mit einer richtigen Harmonia und Ver- || gleichung Politischer Weltlicher/ und Geistlicher Euangelischer Historien/ durch deß || Himmels Lauff Rechnung bestättigt. Allen trewhertzigen und frommen Christen || zuwissen/ so wol tröstlich/ als den Ungläubigen und Halßstarrigen Ju- || den damit zubegegnen nothwendig/ sonderlich den Ge- || lehrten zu lesen angenehm. || Durch || Helisaeum Röslin der Artzney Doctorn und Hanawischen/ Liechten- || bergischen Leib Medicum zu Buchsweiler im under Elsäs. Frankfurt am Main: Matth. Becker, Theodor de Bry, 1612. > zur digitalisierten Vollversion

Weiterführende Literatur:

  • Diesner, Paul: Der elsässische Arzt Dr. Helisäus Röslin als Forscher und Publizist am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. (= Jahrbuch der Elsaß-Lothringischen Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Strassburg, Bd. 11). Colmar, Heidelberg 1938. S. 193—215.
  • Diesner, Paul: Leben und Streben des elsässischen Arztes Helisäus Röslin (= Elsaß-Lothringisches Jahrbuch, Bd. 14). Frankfurt am Main 1935. S. 115—141.
  • Granada, Miguel A.: After the Nove of 1604: Roeslin and Kepler's Discussion on the Significance of the Celestial Novelties (1607—1613), Journal for the History of Astronomy 42:3 (2011). S. 353—390.
  • Granada, Miguel A.: El debate cosmólogico en 1588. Bruno, Brahe, Rothmann, Ursus, Röslin (= Lezioni della Scuola di Studi Superiori in Napoli, Bd. 18). Neapel 1996.
  • Granada, Miguel A.: Helisaeus Röslin on the Eve of the Appearance of the Nova of 1604. His Eschatological Expectations and his Intellectual Career as Recorded in the "Ratio studiorum et operum memorum" (1603—1604), in: 90 Sudhoffs Archiv (2006). S.75—
  • Granada, Miguel A.: Kepler v. Roeslin on the interpretation of Kepler's nova. In: Journal for the history of astronomy 36 (2005). S. 299—319.
  • Haering, Hermann und List, Martha (Hgg.): Schwäbische Lebensbilder. Bd. 3. 1942. S. 474.
  • Hamel, Jürgen: Die Kometentheorie von Helisäus Röslin. In: Georg Samuel Dörffel (1643—1688). Theologe und Astronom. 1994. S. 133.
  • Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten-Lexikon, Bd. 3. 1751.
  • Kühlmann, Wilhelm: Eschatologische Naturphilosophie am Oberrhein. Helisaeus Röslin (1554—1616) erzählt sein Leben, in: Frank, Günter & Hallacker, Anja & Lalla, Sebastian (Hgs.): Erzählende Vernunft. Berlin 2006. S.153—174


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