Geschichte der Frühen Neuzeit
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Tobias Graf (Berlin): "Prinzen vom Berg Libanon". Zum Umgang mit einem besonderen Phänomen temporärer Migration arabischsprachiger Christen im Heiligen Römischen Reich des 18. Jahrhunderts

Vortrag im Rahmen des Oberseminars Frühe Neuzeit

30.11.2020

Graf, Bild zu 'Prinzen vom Berg Libanon'In einer Vielzahl von Archiven im deutschsprachigen Raum finden sich Spuren der Aufenthalte von Christen aus dem Osmanischen Reich. Bei den betreffenden Personen handelte es sich häufig, wenn auch keineswegs ausschließlich, um Almosensammler, die finanzielle Unterstützung für ihre Gemeinden oder kirchlichen Einrichtungen in der Heimat erbaten. Im 18. Jahrhundert trat jedoch ein neuer Typus auf die europäische Bühne, der Zeitungslesern bald als "Prinz vom Berg Libanon" bekannt wurde. Mitunter auch "arabische Prinzen" genannt, suchten diese Männer ab ca. 1725 mit Verweis auf Willkür, Gewalt und religiöse Feindschaft "türkischer" Obrigkeiten in Syrien (Bilād al-Šām) vorübergehende Zuflucht und finanzielle Unterstützung von "christlichen" Herrschern in Europa, insbesondere dem Heiligen Römischen Reich. In mindestens zweierlei Hinsicht handelt es sich hier um ein Phänomen temporärer Migration, denn zum einen betonten die "Prinzen", dass sie die Rückkehr in ihre Heimat anstrebten, zum anderen reisten sie in Erwartung weiterer Geldzuwendungen quer durch das Alte Reich und Europa und hielten sich daher meist nur relativ kurz an einem Ort auf. In meinem Habilitationsprojekt werfe ich einen differenzierten Blick auf diese "Prinzen" und ihre Geschichten, ihre Thematisierung in zeitgenössischen Publikationen sowie den Umgang lokaler Obrigkeiten mit diesen "Fremden". Die Beschäftigung mit dieser außergewöhnlichen Gruppe verspricht einen neuen Blick nicht nur auf die Verbindungen zwischen Mitteleuropa und den arabischsprachigen Provinzen des Osmanischen Reiches, sondern auch neue Erkenntnisse über den administrativen Umgang mit Migration im Heiligen Römischen Reich.

Bildunterschrift:
Kalligraphische Unterschrift des "christlichen arabischen Prinzen" Elias Taleb unter einer Petition an den Stadtrat von Frankfurt am Main aus dem Jahr 1727. Original: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Ratssuplikationen, 1727, Bd. 3, fol. 730r.